Hass als Berufsrisiko: Digitale Gewalt und Sexismus im Bundestagswahlkampf
Authors: ISD Germany and HateAid
Published: 9 March 2022
Die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs 2021 war stark durch Hass und Hetze im Netz geprägt. Das ergibt eine gemeinsame Datenrecherche von ISD Germany und HateAid, die sich mit dem Ausmaß digitaler Gewalt im Wahlmonat September 2021 befasste. Im Fokus der Analysen: rassistisch und sexistisch motivierte Aussagen gegenüber Kandidierenden im Wahlkampf. Denn Studien zeigen, dass insbesondere marginalisierte Gruppen, wie Frauen, People of Colour sowie LGBTQ Communities, besonders stark von Hass im Netz betroffen sind. Wenn sich eine vielfältige Gesellschaft auch im Deutschen Bundestag und den politischen Institutionen widerspiegeln soll, müssen Kandidierende dringend besser geschützt werden.
Denn die Ergebnisse der Analyse sind erschreckend: Digitale Gewalt ist eine der größten Gefahren für den demokratischen Diskurs. Sie wird zunehmend strategisch eingesetzt, um Politiker:innen einzuschüchtern, zu verunglimpfen oder Anhänger:innen eigener Parteien gegen gemeinsame Feindbilder zu mobilisieren. In einer gemeinsamen Datenrecherche haben sich ISD und HateAid daher das Ausmaß der Hasskommentare gegen 60 Kandidierende für den Deutschen Bundestag angesehen. Ergebnisse dieser Kurzanalyse:
- Sexistische und rassistische Beleidigungen waren im Bundestagswahlkampf auf Twitter an der Tagesordnung. Nicht nur die Spitzenkandidat:innen, auch viele weitere Politiker:innen waren von der Gewalt betroffen.
- Besonders viel Hass am Wahltag und nach TV-Auftritten: Allein am Wahltag gingen 738 solcher Kommentare über diese Politiker:innen online – das sind rund 30 potenziell hasserfüllte Tweets pro Stunde.
- Angriffe mit Verschwörungsmythen, Rassismus, Sexismus und LGBTQ-Feindlichkeit finden sich in den meist geteilten Tweets.
- Eine Case Study der Bundespolitikerin Ricarda Lang (Bündnis 90/Die Grünen) und ihre Erfahrung mit sexistischen und beleidigende Kommentaren im Netz: unsere Datenrecherche dazu zeigt wie schnell sich ein „Shitstorm“ von den politischen Inhalten entfernt und unter die Gürtellinie geht.
Die Kurzanalyse gibt Empfehlungen an die Politik, um ein umfassendes Gesetzpaket gegen digitale Gewalt zügig verabschieden, um Sorgfaltspflichten für illegale Inhalte und Verschwörungsmythen vorantreiben, und um breiten Datenzugang für Journalismus, Wissenschaft, Zivilgesellschaft zu ermöglichen.